Wenn man etwas reklamiert und mit den Worten einleitet: "Ich möchte mich beschweren", dann sollte man eher sagen: "Ich möchte mich erleichtern". Denn das bezweckt man ja eigentlich mit seiner Beschwerde.
Das kann zu Missverständnissen führen, also könnte man stattdessen noch sagen: "Ich möchte Sie beschweren (und zwar mit meinem Problem)." Wie dem auch sei, Beschwerden sind kein leichtes Geschäft.
Der Erfinder des "A Complaint Free World Bracelet", Will Bowen, hat genau das erkannt und ein Projekt ins Leben gerufen, welches zum Ziel hat, das Sichbeschweren aus der Welt zu schaffen. Und das nicht, weil es in Deutschland zu linguistischen Problemen führt, sondern weil es nichts bringt. Bowen hatte vor einigen Jahren erkannt, dass man sich die Dinge ins Leben zieht, die man ausspricht. Wenn man sich beschwert, heißt das folglich, dass man sich mehr Gründe fürs Beschweren ins Leben zieht. Weniger Beschweren bedeutet weniger Beschwerden.
Weiterhin hatte Bowen in einer Studie gelesen, dass neue Gewohnheiten ca. 3 Wochen dauern, bis sie verfestigt sind. Und so erfand er das "A Complaint Free World Bracelet". Es handelt sich um ein lilafarbenes Silikonarmband. Die Aufgabe ist, jedesmal, wenn man sich hörbar über etwas beschwert, aufregt oder lästert, das Armband an das andere Handgelenk zu wechseln. Ziel ist es, das Armband 21 Tage lang ohne Wechsel am gleichen Handgelenk zu tragen. Über 10 Millionen Armbänder sind weltweit mittlerweile in Umlauf.
Ich trage das Armband seit knapp zwei Monaten; mein Rekord liegt bei 7 Tagen. Ich dachte am Anfang, dass das für mich ja ein Kinderspiel würde, da ich ja schon total optimiert bin in Sachen positives Denken, Selbstcoaching etc. Haha, weit gefehlt. An den ersten Tagen bin ich aus dem Wechseln gar nicht rausgekommen, so oft rutschte mir ein kurzer Fluch, ein geknurrtes "Lahmarsch" gegenüber einem Gehweg-blockierenden Touristen oder eine Beschwerde über meinen langsamen Computer raus. Mittlerweile schaffe ich regelmäßig mehrere Tage am Stück und ärgere mich dann umso mehr, wenn ich wegen einer Nichtigkeit wieder von vorne anfangen kann. Auf jeden Fall ist es sehr unterhaltsam und ich werde immer aufmerksamer meinen kleinen Beschwerden gegenüber.
Es geht übrigens nur um tatsächlich ausgesprochene Beschwerden. Wenn es auch noch um das innere Genörgel ginge, wäre das Projekt derzeit für mich zu groß. Mir wird in den letzten Wochen bewusst, wie ich permanent einen inneren Monolog halte, der geht in etwa so:
"Warum muss der jetzt auf der Rolltreppe auf der linken Seite stehen? Kann man sich doch denken, dass da Leute hochlaufen wollen! Überhaupt sind die Rolltreppen in Berlin so langsam, meine Güte. Kein Wunder, dass Asien uns wirtschaftlich abhängt, so langsam wie hier alles läuft. Ich werde dem Motz-Verkäufer jetzt kein Kleingeld geben, und wenn er sich darüber beschwert, dann sage ich..."
Und so weiter.
Genauso meine trüben Gedanken am Morgen. Da wache ich auf, habe keinen Termin, kann also liegenbleiben, gehe nicht zum Yoga, obwohl ich es mir die ganze Woche schon vorgenommen habe, und bleibe stattdessen liegen und mache mir eine Stunde Sorgen, wie Projekt A und Aufgabe B laufen werden, dass ich keine Lust habe, blablabla. Wenn ich da jedesmal das Armband wechseln müsste, könnte ich gleich an jedem Handgelenk eins tragen.
Jedenfalls macht das Armband sehr sensibel für die täglichen Meckereien, sowohl die ausgesprochenen als auch die inneren. Gut gefällt mir auch das Konzept, neue Gewohnheiten innerhalb von drei Wochen zu entwickeln. Man kann sich damit alles mögliche abgewöhnen, einfach immer das Armband wechseln. Und wenn Dir lila nicht steht, nimmst Du einfach was anderes.
Das Armband kann man direkt auf der Website bestellen. 10 Stück kosten 10,- $, der Versand dauert einige Wochen. Mit zehn Armbändern könnt Ihr dann gleich noch Freunde für das Projekt begeistern. Übrigens: Wenn ein Armband-Träger den anderen darauf hinweist, dass dieser sich gerade beschwert hat und das Band wechseln muss, dann geht das klar. Allerdings muss er es selbst auch wechseln, da er sich über die Beschwerde des anderen beschwert hat...
Alternativ zur Bestellung in den USA gibt es das Buch von Will Bowen inklusive eines Armbands auch auf Deutsch. Ich habe es nicht gelesen, dazu kann ich also nichts sagen. Wenn Du es kennst, freue ich mich über einen Kommentar dazu hier auf der Seite.
Wie oft beschwerst Du Dich? Kannst Du Dir vorstellen, es drei Wochen durchzuhalten ohne Beschwerde? Kennst Du gute Tricks, um sich weniger beschweren?
Hallo,
ich bin auf deiner Seite „zufällig“ gelandet, da ich mir gerne weitere Armbänder bestellen wollte…
Eine Freundin hat mir das Buch inkl. Armband zum Geburtstag geschenkt und ich dachte zuerst: „Aha, ich beschwere mich also – und sie?!?“ 🙂 Sehr lustig! Ich habe also zunächst mal das Buch gelesen und ich muss sagen, es ging mir da ähnlich wie dir, von wegen „ich bin doch schon positiv eingestellt usw. usf.“, doch dann … Ich bin wirklich ein sehr optimistischer Mensch, aber manchmal sind es doch die kleinen Dinge, die mich dann nerven und ich nicht anders kann als es auf irgendeine Art und Weise negativ in die Welt zu tragen. Seit ich das Armband trage (ab Teil 2 des Buches habe ich damit angefangen) versuche ich wirklich mit viel Disziplin meine „Beschwerden“ runterzuschlucken bzw. neutral zu formulieren. Es gelingt mir natürlich nicht immer, aber insgesamt achte ich viel mehr darauf, was ich wie äußere und das hat auf viele Bereiche positive Auswirkungen. In letzter Zeit sind mir viele gute Dinge passiert und ich bin überzeugt, dass es an der positiven Energie liegt, die sich in meinem Leben mehr und mehr manifestiert. Das Buch beinhaltet nicht nur die Beschreibung des Prozesses, sondern enthält auch Geschichten, die mich gerührt oder zum lächeln gebracht haben. Auf jeden Fall ist es lesenswert und werde es gerne jedem empfehlen, der etwas in seinem Leben verändern möchte.
Dir ein gutes Gelingen und weiter so mit deiner Arbeit, finde ich klasse! 🙂
Hi Alexandra, danke für Deinen Kommentar und viel Erfolg beim nicht mehr beschweren! 🙂