Titel: Der Welt nicht mehr verbunden
„Worum geht`s? (Klappentext)
Seit seiner Kindheit leidet Johann Hari unter Angstzuständen, Gefühlen von Traurigkeit und unendlicher Leere. Mit achtzehn bekommt er die Diagnose: Depression. Es folgt die langjährige Behandlung mit Antidepressiva. Doch trotz Anpassung der Dosis und Phasen der Besserung hat Hari das Gefühl, die Depression hat ihn im Griff. Er beginnt die ärztliche Strategie zu hinterfragen: Sind Depressionen zwangsläufig auf ein biochemisches Ungleichgewicht im Gehirn zurückzuführen? Können Medikamente langfristig die Lösung sein? Und welche Rolle spielt die Pharmaindustrie dabei?
Was er entdeckt, stellt seine Einstellung radikal auf den Kopf. Denn für unsere Interpretation von Depression gibt es keinerlei Beweise. Im Gegenteil. Nach zahlreichen Gesprächen mit Medizinern, Psychologen, Sozialwissenschaftlern und Betroffenen auf der ganzen Welt, weiß er: Die wahren Ursachen von Depression liegen ganz woanders – und wir können etwas gegen sie tun.
Persönlicher Erfahrungsbericht und kluge Gesellschaftsanalyse zugleich, trifft Hari mit seinem Buch den Nerv unserer Zeit.
Meine Literaturnotizen
Man muss nicht unter Depressionen leiden, damit die Themen des Buches relevant sind
Die Ursachen von Depressionen und Ängsten liegen in unseren Lebensumständen, nicht in unseren Köpfen
„Grief exception“: Warum gilt man nicht als depressiv nach einem Trauerfall, aber nach anderen schweren Erlebnissen schon? Depressionen sollten nicht als Krankheit, sondern als natürliche Reaktion auf schwere Traumata gesehen werden.
Das bezieht sich auf die grief exception, dass depressive Symptome nicht als Zeichen einer Depression diagnostiziert werden, wenn sie innerhalb einer gewissen Zeit nach einem Trauerfall auftreten.
Weil wir den Kontext missachten, warum eine Depression entsteht, etikettieren wir sie als eine Gehirnerkrankung anstatt als eine Reaktion auf unsere Lebensumstände und -erfahrungen.
Wir betrachten menschliche Gebrechen nicht ganzheitlich genug, ohne Kontext.
Depression ist eine Art Trauer darüber, dass unser Leben nicht so ist, wie wir es erwartet haben.
Meine Notiz: Was, wenn Depression nur eine Form der Trauer ist, dass das Leben nicht so ist, wie wir es erwartet haben? Das wäre auch eine sehr einfache Erklärung dafür, warum immer mehr junge Leute depressiv sind: Weil man ihnen erzählt hat, dass sie etwas ganz besonderes sind und alles haben können, was sie wollen, und dann merken, dass das nicht stimmt.
Es braucht zwei Dinge für eine Depression: ein schweres Erlebnis und lang anhaltenden Stress und Unsicherheit
Arbeit, die den meisten keine Freude macht, nimmt einen immer größeren Teil unserer Zeit ein
Wir glauben, dass alles allein zu machen der natürliche Zustand des Menschen sei. Jeder soll für sich selbst sorgen. Doch damit verleugnen wir die Menschheitsgeschichte und unsere Instinkte und werden unglücklich.
Menschen müssen einer Sippe angehören. Wir sind die ersten Menschen, die ihre Sippe aufgelöst haben. Deshalb sind wir traurig.
Materialistische Werte scheinen nur so, als könnten sie uns glücklich machen. Sie zeigen uns aber keinen Weg zu einem befriedigendem Leben. Sie liefern „psychische Gifte“ und „deformieren unseren Geist“.
Wir sollten uns fragen, ob wir unser Leben so gestalten, dass wir unsere intrinsischen Werte verwirklichen können.
Der Grund, warum wir nicht machen, was wir wirklich wollen, ist, dass wir tagtäglich bombardiert werden mit Botschaften, die uns sagen, wir sollten konsumieren und schlechten Werten hinterherjagen. Dem können wir uns nur schwer widersetzen und deshalb greifen auch Empfehlungen wie „Mach dein Ding“ oft nicht.
Wir haben ständig Angst vor gesellschaftlichem Statusverlust. Nur eins ist schlimmer als ein niedriger Rang: ein unsicherer Rang
Das Gehirn verändert sich ein Leben lang. Das heißt „Neuroplastizität“.
Schwere Umstände (die sieben Ursachen für Depression) verursachen Veränderungen im Gehirn, die wiederum die Auswirkungen der schweren Umstände auf unseren Gemütszustand verstärken.
Meine Notiz: Auf mich bezogen (2022): Ich habe mit der Gründung des Bata und meiner Steuersache vor ein paar Jahren gelernt, dass das Leben schwer ist und ich finanziellen Risiken ausgesetzt bin. Jetzt ist das erst einmal vorbei, aber ich empfinde es immer noch so. Das könnte ich sicher auch noch auf andere Lebensbereiche anwenden.
Gene können Depressionen verstärken, aber sie brauchen externe Auslöser
Meine Notiz: Ähnlich wie beim Gewicht: Manche Leute nehmen schneller zu als andere, es hängt aber vor allem davon ab, wie man sich ernährt. Es gibt genetische Begünstigung von Depressionen, aber nur, wenn auch die vorher genannten äußeren Ursachen auftreten.
Man kann alles haben, was laut unserer Gesellschaft glücklich machen sollte, und trotzdem unglücklich sein, weil das, was unsere Gesellschaft für wichtig hält, in vielen Fällen nicht das ist, was ein gutes Leben ausmacht.
Meine Notiz: Das zur Frage, warum Menschen depressiv werden, die eigentlich alles haben, was man sich wünschen kann.
Unser System des neoliberalen Kapitalismus macht die Menschen psychisch krank, nicht ihre Köpfe, ihr Körper o.ä. Das wird aber oft nicht anerkannt, weil es viel schwieriger wäre, daran etwas zu ändern (das System in Frage zu stellen), als den Leuten dabei zu „helfen“, an sich zu arbeiten, effizienter zu funktionieren.
Wir könnten die Veränderung unserer Lebensweise als Antidepressivum begreifen, anstatt darunter immer nur Pillen zu verstehen.
Meine Notiz: Das ist ein guter Kommunikationsansatz für Coaching. Die Veränderung der Lebensumstände als Antidepressivum zu begreifen.
Weil wir die Ursache von Depressionen nur im Gehirn gesucht haben, haben wir mangelhafte Lösungen gefunden. Weil die Ursachen in unseren Lebensumständen liegen, müssen wir dort nach Lösungen suchen.
Meine Notiz: Das erinnert mich an den alten Satz von Marx (?) : Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
Glücklich werden wir nicht, indem wir für uns selbst das Glück suchen, sondern für andere, für die Menschen in unserem Umkreis.
Meine Notiz: Sich selbst glücklicher machen funktioniert, indem man die Menschen um sich herum glücklich macht.
Wenn wir uns der Gruppe widmen, unser Ego niederreißen, finden wir das Glück. Also nicht: Sei Du selbst. Sondern: Sei die Gruppe.
Wenn es uns schlecht geht, sollten wir etwas für andere tun.
Nicht Arbeit macht krank, sondern drei Faktoren: 1. Das Gefühl, unter Kontrolle zu stehen, 2. das Gefühl, dass die eigene Leistung keinen Unterschied macht und 3. das Gefühl, in der Hierarchie weit unten zu stehen, einen niedrigen Status zu haben.
Die Gier nach neuem Besitz beginnt schnell, nachdem wir meinen, sie befriedigt zu haben, indem wir etwas kaufen.
Meine Notiz: Ich glaube, ich bin da mittlerweile schon recht achtsam, aber tappe natürlich immer wieder in die Falle.
Wie würde sich unser Leben ändern, wenn wir nur nach intrinsischen anstatt nach extrinsischen Werten leben würden?
Meine Notiz: Das ist eine fantastische Lebensregel
Methode „liebevolles Mitgefühl“: Eine Übung, um das Gegenteil von Eifersucht und Neid zu üben
Man übt, indem man (in dieser Reihenfolge) sich vorstellt, jemandem würde etwas Gutes widerfahren, und die Freude darüber durch sich hindurchfließen lässt. Erst stellt man es sich für sich selbst vor, dann für einen geliebten Menschen, dann für einen Menschen, den man nicht näher kennt (Kassiererin), dann für jemanden, den man nicht mag, dann für jemanden, den man verabscheut oder beneidet. Fünfzehn Minuten jeden Tag.
Meine Notiz: Etwas länger Auszug, aber es wird hier eine Meditation beschrieben, wie man weniger Neid und Wut auf andere empfindet. Das könnte mir helfen.
Wir können unser Denken und Fühlen ändern, indem wir üben.
Meine Notiz: Das ist für mich wieder die wichtigste Botschaft: Wir können unser Denken und Fühlen (ja, auch das!) ändern, indem wir üben. Wir sind nicht einfach so (wie in: „So bin ich halt.“), sondern wir sind gerade jetzt so, können aber in der Zukunft anders sein.
Unser Ego beschützt uns und hält uns gefangen. Doch es ist nur ein Teil von uns, nicht das komplette Selbst.
Große Teile des Egos sind konstruiert, um uns zu schützen. Wir haben ungute Verhaltensweisen gelernt, weil sie uns beschützt haben. Diese können wir auch wieder aufgeben, wenn wir andere Wege finden, das gleiche zu erreichen.
Gute Zusammenfassung des ganzen Buches: Wir brauchen eine Gemeinschaft. Wir brauchen sinnvolle Werte. Wir brauchen sinnvolle Arbeit. Wir brauchen die Natur. Wir brauchen das Gefühl, dass wir respektiert werden. Wir brauchen eine sichere Zukunft. Wir müssen die Scham loslassen, dass (wenn) wir missbraucht worden sind.