16.6.2019
Mein Digital-Detox-Experiment ist erschreckend befreiend. Facebook und Instagram fehlen mir nicht nur nicht, ich habe deren Existenz so gut wie vergessen. Es vergehen morgens Stunden, bis ich zum ersten Mal zum Smartphone greife (wo es vorher Minuten waren), und dann auch eher aus alter Gewohnheit, als weil ich einen Anlass hätte. Meine gewonnene Zeit fühlt sich so an, wie mein Leben früher war: Ich habe einen freien Kopf, der bewusst entscheidet, was er als nächstes macht. Erinnert sich noch jemand an Langeweile? Habe ich wieder. Dann fange ich an aufzuräumen, greife zu einem Buch oder rufe einen Freund an. Meine Digitalzeiten sind mehr gebündelt, da ich nur am Rechner arbeite. Ich wünsche diese Erfahrung jedem, der zu viel am Smartphone hängt.
17.6.2019
Ich schreibe diesen Beitrag morgens am 19.6., weil ich offenbar zwei Tage hintereinander vergessen habe, meine Momentaufnahmen zu schreiben. Scheinbar habe ich mein Telefon so wenig in der Hand, dass ich den Reminder am Abend glatt übersehen habe.
18.6.2019
Abends checke ich meine Onlinezeit in Rescuetime und bin positiv erschüttert: Ich habe mein Smartphone ca. 45 Minuten benutzt. Wer schon mal seine Zeit am Smartphone getrackt hat, weiß, dass das sehr wenig ist. Vorher war ich bei 2-3 Stunden täglich mindestens.
19.6.2019
Team-Ausflug mit dem Bata-Team. Wir fahren mit dem Boot die Spree entlang, baden, albern rum, entspannen. Ich merke, dass ich viel glücklicher bin als im Alltag und ich frage mich, ob ich die falsche Arbeit mache, ob ich in letzter Zeit zu wenig Urlaub gemacht habe oder ob ich einfach ein fauler Sack bin.
20.6.2019
Jeden Morgen an Arbeitstagen wache ich auf und habe sofort zwanzig Dinge im Kopf, die dringend oder wichtig sind. Es ist überwältigend und ich bin morgens am unglücklichsten. Doch dann stehe ich auf, beginne meinen Tag und arbeite einfach von oben nach unten meine Aufgaben ab. Am Ende des Tages bleibt immer etwas übrig, aber mittlerweile kann ich trotzdem gut würdigen, was ich geschafft habe.
21.6.2019
Gute Ergebnisse und aufgewendete Zeit hängen oft nicht zusammen. Heute habe ich effektiv zwei Stunden gearbeitet, aber zwei für mich wichtige Sachen vorangebracht. An anderen Tagen arbeite ich fünf Stunden an einer Kleinigkeit. Ich habe mittlerweile gelernt, beide Leistungen anzuerkennen, ob ich nun viel Zeit für eine kleine Aufgabe oder wenig Zeit für eine große Aufgabe gebraucht habe.
22.6.2019
Es ist leicht und verlockend, die zu kritisieren, die prominent scheitern: Sportler, Schauspieler, Sänger, Politiker, Unternehmer. Sie haben es verkackt, haben sich zu viel zugetraut, sich überschätzt, waren überheblich, haben sich an der Sonne verbrannt. Dabei besteht ihre eigentliche Leistung darin, dass sie überhaupt in den Ring gestiegen sind. Dafür sollten wir sie feiern und ehren. Besonders die Verlierer, die nichts anderes haben als das Wissen, es versucht zu haben.
23.6.2019
Heute ist Sonntag und ich bin den ganzen Tag unterwegs. Da mein Smartphone nur noch dem Transport und der Notfall-Kommunikation dient, lese ich E-Mails wie früher: Ich schalte abends meinen Rechner an und schaue, ob es was neues gibt. Dann mache ich ihn wieder aus und bekomme bis zum nächsten Tag nichts mehr mit. Herrlich!
24.6.2019
Ich sehe immer öfter junge Männer, die sich anziehen, als würden sie sich nicht anziehen. Eine möglichst alte, abgewetzte Schirmmütze (think: Manfred Krug in “Auf Achse”), übergroßes weißes T-Shirt oder Kurzarmhemd, eine schlabbrige Anzughose hochgezogen bis zum Bauchnabel, sodass unten schön viel Platz übrig bleibt für die weißen Tennissocken und die meist ebenfalls weißen, gerne aber auch quietschbunten Laufschuhe. Also insgesamt so, wie man vor 20 Jahren auf gar keinen Fall aussehen wollte. Horst Couture. Was mich daran so fasziniert, ist, dass dieses Outfit den Anschein macht, als wäre es vollkommen egal, wie man aussieht. Aber weil so viele dieser jungen Männer genauso aussehen, kann es kein Zufall sein. Es ist den Jungs nicht egal. Es ist eine Mode. Und mir fällt eine Liedzeile von Rainald Grebe einen: Die Menschen sehen alle gleich aus, irgendwie individuell.
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25.6.2019
Ich habe einen neuen PC, bin zurück bei Windows. Alles läuft. Am besten gefällt mir bisher, dass ich den Cold Turkey Writer wieder benutzen kann, den es für Linux nicht gab. Der Cold Turkey Writer blockiert deinen Rechner, bis du eine vorher festgelegte Anzahl Wörter oder Minuten geschrieben hast. Besser geht Write or Nothing nicht.
26.6.2019
Seit drei Tagen sitze ich fast die ganze Zeit alleine in meiner Wohnung und arbeite, esse, lese, schlafe. Ich stehe früh auf. Ich bin ein produktiver Eremit. Ich habe keine Termine, zumindest keine, die meine Präsenz erfordern, und erledige einfach meinen Scheiß. Am Ende des Tages habe ich viel geschafft und es geht mir gut. Ich gehe früh schlafen.
27.6.2019
Wir treffen uns abends mit einem unserer Lieferanten für den Onlineshop. Viele gute Ideen und wir frischen unsere nun schon sieben Jahre alte Zusammenarbeit auf. Es macht Spaß, mit Leuten zu arbeiten, mit denen man arbeiten kann.
28.6.2019
Ein Abend im Klunkerkranich in Berlin, ein hipper Biergarten auf einem Parkdeck in Neukölln. Früher ein fantastischer Ort. Heute wollen sie 5 Euro Eintritt dafür, dass man eine halbe Stunde für Getränke ansteht, und besoffene Engländer brüllen mir ins Ohr. Ich merke immer häufiger, dass ich das, was viele an Berlin geil finden, nicht nur nicht mehr so spannend, sondern richtiggehend abschreckend finde.
29.6.2019
Das erste Mal auf einem richtigen Deutschen Campingplatz mit Dauercampern, Vereinsordnung und so. Ich erwarte misstrauische Nachbarn, Gartenzwerge, schreiende Kinder und Deutschlandflaggen. Nichts dergleichen. Alle sind sehr nett, die Anlage direkt am See ist sehr schön. Am Ende bekommen wir neue Nachbarn, die gleich den Fernseher mit Satellitenschüssel aufbauen. Wenigstens dieses Klischee ist mir vergönnt.
30.6.2019
Aus der Natur nach Berlin reinfahren ist krass. Beton ersetzt Wald, der Verkehr wird verrückter, auch die Menschen, und es ist dreckig. Man muss Berlin schon mögen wollen, sonst wird das nichts.