Ich schreibe einen Roman. Da, es ist raus. Ich habe es gesagt. Es kann sein, dass der Roman richtig scheiße wird. Das ist zumindest meine Sorge. Ich habe noch nie einen geschrieben, es gibt viele Scheißromane, es gibt viele Romanautoren, die nicht wissen, dass sie schlecht schreiben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich auch dazu gehöre. Man braucht keine Qualifikation, keinen Führerschein, um einen Roman zu schreiben. Kann man einfach machen, egal, ob man Ahnung davon hat oder nicht. Es ist also durchaus möglich, dass ich keinen guten Roman schreiben werde. Das ist auch der Grund, weshalb ich es seit mittlerweile zehn Jahren vor mir her schiebe. Mein eigener Perfektionismus hält mich davon ab. Und jetzt habe ich mich entschieden: Egal, ich schreibe ihn trotzdem.
Denn fertig ist besser als gut. Wenn ich den Roman nicht schreibe, werde ich nie wissen, ob ich es kann. Es kann sogar sein, dass ich erst einmal ein, zwei, zehn schlechte Romane schreiben muss, bevor ich einen guten schreibe. Ich habe ja gar nicht viel Übung. Dann übe ich halt im schlimmsten Fall ein paar Romane lang, und dann schreibe ich einen guten.
Fertig ist besser als gut. Share on XWer lernen will, muss schlecht sein können
"Fertig ist besser als gut" widerspricht meinem starken Hang zum Perfektionismus. Alles, was ich mache, soll gut sein, weil ich mein Leben lang Anerkennung für gute Ergebnisse bekommen habe. Weniger für große Anstrengungen, sondern für gute Ergebnisse. Und die fielen mir in vielen Lebensbereichen ziemlich leicht, zum Beispiel in der Schule oder an der Uni. Ich bin darauf konditioniert, gute Ergebnisse herzuzeigen, und wenn ich in etwas nicht gut bin (oder die Sorge habe, dass das so ist), dann mache ich es lieber nicht, als es eben nicht gut zu machen. Oder ich mache es, aber verberge das Ergebnis vor der Öffentlichkeit (Oder die kleine gemeine Schwester davon: Ich fange etwas an und mache es nicht fertig. Könnte ja scheiße werden). Das war bisher die größte Bremse in meiner persönlichen Entwicklung, weil ich oft nur das gemacht habe, worin ich aus dem Stand gut war. In etwas gut werden ging oft nicht, weil man am Anfang erst mal schlecht ist, Fehler macht. Gehört zum Lernen dazu, versuche ich aber meist zu vermeiden.
Perfektionismus ist leider geil
Blöd ist außerdem, dass Perfektionismus eine ziemlich populäre schlechte Angewohnheit ist. Wenn man Politiker nach ihrer schlechtesten Eigenschaft fragt, kommt entweder "Ungeduld" oder "Perfektionismus". Weil das irgendwie doch den Touch des Machers hat und sagt: "Nichts, was nicht perfekt ist, verlässt meine Hände. This is how I roll." Perfektionismus ist cool. Wenn es nicht perfekt ist, ist es nicht fertig. Bullshit, sage ich, denn genau: Fertig ist besser als gut.
"If you are not embarrassed by the first version of your product, you’ve launched too late." Dieses berühmte Zitat von LinkedIn-Gründer Reid Hoffman bringt es auf den Punkt: Wenn Dir die erste Version deines Produkts nicht peinlich ist, dann hast Du es zu spät auf den Markt gebracht. Das Zeug muss raus in die Welt. Ich muss das Risiko eingehen, muss mich zeigen. Das Prinzip ist auf alles mögliche anwendbar: Ich schreibe diesen Roman, ich mache diesen Kurs, ich buche diese Reise, ich eröffne dieses Geschäft, ich sage dieser Frau, wie ich sie finde. Egal, was dabei herauskommt, egal, ob es so wird, wie ich möchte, egal, ob man mich auslachen wird. Und wenn ich vor Angst kotzen möchte, so wie gleich, wenn ich auf "Veröffentlichen" klicke: Fertig ist besser als gut.
Hey Patrick,
ich kann mich so gut in deine Gedanken hineinversetzen – mir geht es viel zu oft auch so!
Viel Erfolg bei deinem Roman – ich wette, er wird super! Und wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm 🙂
Ich starte im September den Jakobsweg. Das habe ich seit Jahren vor mir hergeschoben. Weil ich Angst vor dem Scheitern habe. Weil auch ich eigentlich nichts mache, von dem ich nicht weiß, dass ich gut darin bin. Und sportliche Meisterleistungen gehörten da noch nie unbedingt zu. Aber ich gehe ihn jetzt. Auch wenn die Möglichkeit besteht, dass ich abbreche. Oder auf allen Vieren zum Ziel krieche. Oder viel länger brauche, als man dafür eigentlich einplant. Mir egal, nobody’s perfect. Wird schon 😉
Schöne Grüße,
Caro
Danke, Caro! Genau, einfach loslaufen 🙂 Viel Erfolg und danke fürs Lesen!
Danke 🙂
Hey Patrick
Du benötigst ein Korrektiv, Freunde, die sich trauen ehrlich zu sein, Testleser mit Erfahrung und wie du es selbst sagst, auch etwas Mut.
Ich habe zwei Jahre gebraucht ehe ich mein Buch Verlagen angeboten habe. Ein Verlag kann auch ein Korrektiv sein, auch wenn sie u U andere Kriterien anlegen an die Frage “ Qualität‘ . Sie interessieren sich natürlich für Gewinne sind oft Mainstream. Ich glaube, dass ich Glück hatte mit dem kbv Verlag. Vor allem der Autor war gnadenlos ehrlich. Veröffentliche auf keinen Fall ohne ein Lektorat, auch wenn du als Selfpublischer unterwegs sein solltest. Viel Erfolg!!!
Hi Friedrich, danke für Deinen Kommentar und herzlichen Glückwunsch zur bevorstehenden Veröffentlichung! Ich stimme Dir voll zu, man selbst und auch meist wohlgesonnene Freunde reichen nicht, um das Buch kritisch anzuschauen (obwohl ich da auch wirklich gutes und kritisches Feedback erhalten habe). Mein Thriller ist mittlerweile im Self-Publishing erschienen, professionell lektoriert und korrigiert 🙂 Hier weitere Infos dazu: https://www.patrick-baumann.de/2040-tag-der-deutschen-einheit/
Viel Erfolg mit Deinem Roman!
Hey Patrick,
Da kann ich dir nur zustimmen! Das musste ich auch erst einmal lernen, dass es besser ist, Dinge fertig zu machen, als sie perfekt zu machen. Wobei ich es nicht ganz so drastisch formulieren würde – gut soll es nämlich trotzdem werden, finde ich. Denn etwas, das nicht gut ist, war den Aufwand nicht wert (egal, wie gering er auch war). Aber zum Perfektionieren ist später noch genügend Zeit! Ist dein Buch inzwischen fertig? 🙂
LG Anna
Ich mag drastisch 🙂 Du hast natürlich Recht, gut soll es möglichst auch werden. Aber danach streben Perfektionisten ja eh, daher in meinem Beitrag die Betonung auf fertig. Denn bevor etwas gut werden kann, muss es fertig werden. Ich finde sogar, dass etwas, was beim ersten Entwurf nicht gut ist, ist den Aufwand durchaus wert. Es kann zu etwas besserem führen, es kann für manche Leute gut genug sein, es kann sein, dass es sogar gut ist, obwohl ich es nicht gut finde. Deshalb ganz mit Absicht diese Formulierung und nicht weniger drastisch.
Mein Buch wird wie geplant zwischen 2018 und 2036 fertig 🙂