Disclaimer für besorgte Eltern: Es geht mir gut.
Ich habe kürzlich unabhängig voneinander von zwei Menschen gehört, die kurz danach mit dem Tod in Kontakt gekommen sind, weswegen mich jetzt diese Frage beschäftigt. Ich weiß natürlich längst vom Volksmund und aus Büchern, dass es schnell vorbei sein kann, aber es ist einfach glaubwürdiger, wenn es in der Nähe passiert. Die erste Person hat ganz knapp ein Flugzeug nicht bestiegen, das dann abstürzte und alle Menschen an Bord das Leben kostete. Die zweite Person ist plötzlich erkrankt und an der Erkrankung gestorben. Ich kenne keine Details und kenne beide Personen nicht sehr gut, bin aber beiden vor wenigen Wochen persönlich begegnet. Und so, wie ich mich jetzt wundere und die Vorstellung absurd finde, dass eine Person, mit der ich noch vor wenigen Wochen über Zukunftspläne gesprochen habe, jetzt nicht mehr lebt, hätte es ja umgekehrt sein können, dass diese Person sich wundert, dass ich nicht mehr lebe. Es kann schnell vorbei sein, und das eigentlich Bedrückende daran ist, dass das nicht nur auf die anderen zutrifft, sondern auch auf mich.
Warum ich jetzt nicht sterben möchte...
Letztens habe ich selbst einen sehr schwungvollen Landeanflug eines Flugzeugs miterlebt, und zwar als Insasse. Ich habe wirklich einen ganzen, langen Moment geglaubt, dass das Flugzeug abstürzt. Und natürlich wurde ich nervös, habe schwitzige Hände bekommen und hatte Angst, dass das passiert. Aber größer noch als die Angst war mein Unwille und der Gedanke: "Ach komm, nicht jetzt, es ist gerade so gut." Nicht erst seit meinem Aufbruch aus Berlin habe ich regelmäßig Momente, in denen ich ganz bewusst das Gefühl habe, dass ich glücklich bin und dass mein Leben fantastisch ist. Auch, wenn ich noch eine Menge Ziele habe. Je besser es wird, desto mehr möchte ich davon. Ich überschreite meine Grenzen, mache neue Erfahrungen, mache mehr mein Ding und finde einfach genauer meinen Weg. Das macht Lust auf mehr, und meine "Löffel-Liste" wird immer länger.
... und warum ich keine große Angst davor habe
Gleichzeitig habe ich aber immer weniger Angst davor, dass es vorbei sein könnte. Das ist auch nicht verwunderlich, da ich ja immer mehr von dem erlebe, was für mich zu einem erfüllten Leben dazugehört. In den letzten 2-3 Jahren denke ich immer mehr über mein Leben und meine Zukunft nach und auch darüber, wie viel Zeit ich noch habe und was ich damit anfange. Und ich kann jetzt schon sagen, es ist sehr gut, und ich würde damit leben können, wenn es jetzt vorbei wäre. Ich habe mehr, als viele haben. Ich habe vieles, was ich nie gedacht hätte. Ich bin oft glücklich, und mehr erwarte ich nicht.
Wenn ich an die oben genannte Person denke, die das Flugzeug nicht bestiegen hat und damit dem Tod von der Schippe gesprungen ist, dann ist ja oft eine übliche Reaktion, ab jetzt aber das Leben voll zu leben und alles anders zu machen. Ich glaube nicht, dass ich etwas ändern würde. Das heißt wohl, dass ich mein Leben schon voll lebe. Und eigentlich haben wir doch dauern diese Momente, wenn wir z.B. nicht links und rechts schauen vorm Straße überqueren und kein LKW kommt. Aber ist halt kein Flugzeug.
Wenn alte Menschen an "Altersschwäche" sterben, dann oft aus einer bewussten Entscheidung heraus: "Jetzt ist es genug." Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich das anfühlt, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich je an diesen Punkt komme, dass es mir freiwillig genug wird. Im Moment glaube ich, mein Tod kann nur zur "falschen" Zeit kommen, und wann das ist, keine Ahnung. Insofern werde ich es akzeptieren und habe keine Angst davor. Auch wenn ich gerne noch lange hätte, wenn's geht.
Hi Patrick, interessante Gedanken. Ich selbst fühle mich ertappt, und sicher auch viele andere Leser, gerade wieder nicht glücklich zu sein. Mehr zu wollen, was anderes, oder sogar weniger. Schön, dass Du es wieder auf den Punkt bringst: Das Leben kann fantastisch sein, wenn ich es so anerkenne.
Noch ein Gedanke: Ich kann mir vorstellen, dass Sterben an Altersschwäche (also eines natürlichen Todes) dann freiwillig passiert, wenn man mit all seinen gemachten Erfahrungen zufrieden und im Reinen ist, und das Verlangen nach stets neuen Erfahrungen befriedigt. Ab einem gewissen Alter denken wir darüber bestimmt anders als heute, so wie wir heute die Gedanken, die wir als Teenager hatten, anders bewerten als früher.
Deinem letzten Gedanken stimme ich zu. Schön, wenn es am Ende so ist. Mal sehen, was ich morgen dazu denke… Und zum Thema glücklich sein habe ich mal was in der Richtung gehört, dass es kein Dauerzustand ist. Die unglücklichen Momente braucht es ja, damit man sie von den glücklichen Momenten unterscheiden kann. Wenn es immer gleich warm ist, ist es dann überhaupt warm?